Dringender offener Brief namhafter Frauen und Männer an die Bundesregierung: Schwangerschaftsabbrüche müssen endlich entkriminalisiert werden! #wegmit218

Weg mit §218

Dringender offener Brief namhafter Frauen und Männer an die Bundesregierung: Schwangerschaftsabbrüche müssen endlich entkriminalisiert werden! #wegmit218

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Lisa Paus, 
Sehr geehrter Herr Bundesminister Karl Lauterbach,  
Sehr geehrter Herr Bundesminister Marco Buschmann,  
Sehr geehrte Bundesregierung,

Heute, am 15.04.2024, präsentiert die von Ihnen einberufene Expert*innenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ihre finalen Ergebnisse. Der Abschlussbericht bestätigt, was zahlreiche Expert*innen, Aktivist*innen und betroffene Frauen schon seit Jahren fordern: Schwangerschaftsabbrüche müssen in Deutschland endlich entkriminalisiert werden. 

Die Expert*innen aus Medizin, Recht und Ethik empfehlen einstimmig, Schwangerschaftsabbrüche in den frühen Phasen der Schwangerschaft rechtmäßig und straflos zu stellen und eine Durchführung zeitnah und barrierefrei für alle zu ermöglichen. Die aktuelle Rechtswidrigkeit nach §218 StGB hält einer verfassungs-, europa-, und völkerrechtlichen Prüfung nicht stand und gehört dringend abgeschafft.

Weiter schreiben die Expert*innen, dass auch in den mittleren Phasen der Schwangerschaft (bis zur 22. Schwangerschaftswoche) eine Entkriminalisierung möglich ist und der Gesetzgeber hier Gestaltungsspielraum hat. Diesen hat er ebenso in der Frage nach einer Beratungspflicht. Auch hier ist eine Abschaffung der Zwangsberatung und dreitägigen Wartefrist nach Einschätzung der Expert*innen möglich und kann vom Gesetzgeber angestrebt werden. Wir bitten Sie, die Initiative zu ergreifen. Der Verzicht auf Pflichtberatung und Wartefrist kann in vielen Fällen darüber entscheiden, mit welcher Methode der Schwangerschaftsabbruch noch durchgeführt werden kann – medikamentös oder operativ. 

Dass eine Überarbeitung der aktuellen Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen dringend notwendig ist, zeigen auch die in der letzten Woche präsentierten Ergebnisse der sogenannten ELSA-Studie, die bisher umfassendste wissenschaftliche Analyse der Versorgungslage ungewollt schwangerer Menschen in Deutschland. Die Daten zeigen deutliche Versorgungslücken, insbesondere in den südlichen Bundesländern. Außerdem gaben 80 Prozent der befragten Frauen an, bei ihrem Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch mindestens eine Form der Barriere erlebt zu haben, entweder in der Kostenübernahme, der Praxisfindung und Erreichbarkeit dieser oder in der Informationsbeschaffung. Zwanzig Prozent fanden es schwer oder sehr schwer, überhaupt eine Praxis zu finden, die den Abbruch durchführt. 

Dass die prekäre Versorgungslage in direktem Zusammenhang mit der aktuellen Gesetzeslage steht, verdeutlichen auch die Ergebnisse der Ärzt*innenbefragung im Rahmen der Studie: 75 Prozent der befragten Ärzt*innen gaben an, dass eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuchs ihrer Einschätzung nach zur Verbesserung der Versorgung beitragen würde. 

Die Ergebnisse der ELSA Studie zeigen es ganz deutlich: In Deutschland gibt es ein Problem in der Versorgung ungewollt schwangerer Menschen. Und die Ergebnisse der Expert*innenkommission zeigen es ebenso deutlich: diesem Problem kann und muss durch eine gesetzliche Neuregelung begegnet werden. Dabei muss das Vertrauen in schwangere Menschen und in die zahlreichen Berater*innen und Ärzt*innen, die ungewollt schwangere Menschen in dieser Ausnahmesituation professionell begleiten und unterstützen, im Vordergrund stehen. Es darf keine gesetzliche Bevormundung dieser höchstpersönlichen Entscheidung mehr geben

Wir bitten Sie nun: Hören Sie auf Ihre eigens ernannten Expert*innen und setzen Sie die Vorschläge um. Seien Sie mutig und nehmen Sie die Handlungsspielräume auf, die Ihnen die Empfehlungen geben. Sie haben die Möglichkeit, etwas Historisches zu schaffen und einen nun mehr als 150 Jahre alten Paragrafen abzuschaffen. Repräsentative Umfragen zeigen: Die Mehrheit der Bevölkerung ist für eine Legalisierung*. Sie können und müssen eine gesetzliche Neuregelung finden, die den Lebensrealitäten von ungewollt schwangeren Menschen in Deutschland gerecht wird und eine gute Gesundheitsversorgung für alle ermöglicht. 

Lassen Sie ungewollt schwangere Menschen nicht länger im Stich und schaffen Sie noch in dieser Legislatur eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs! 

Wir fordern die ersatzlose Streichung von Paragraf 218 StGB und eine außerstrafrechtliche Regelung und damit die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, sowie die Abschaffung der Zwangsberatung und dreitägigen Wartefrist.

Wir appellieren an Sie, die Umsetzung so schnell wie möglich voranzutreiben. Angesichts des nationalen und globalen Rechtsrucks fürchten wir, dass eine Verzögerung der Legalisierung bedeuten könnte, dass wir in den kommenden Jahren noch intensiver um unsere Rechte bangen und kämpfen müssen. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und den Rechtsruck erfordert auch die Verteidigung und Unterstützung der Frauenrechte, da diese zu den ersten Opfern rechter und rechtsextremer Politik gehören.

*https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/18574/umfrage-dezember22/

#wegmit218

Initiatorinnen

Kristina Lunz Portrait
Image: © Sapna Richter

Kristina Lunz (Initiatorin)
Centre for Feminist Foreign Policy

Annika Kreitlow
Image: © Paula Keen

Annika Kreitlow (Initiatorin)
Ärztin in der Gynäkologie und Sprecherin des Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung 

Erstunterzeichnende

Dr. Julia Duchrow
Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland 

Monika Börding und Stephanie Schlitt
Vorstand des pro familia Bundesverbands

Diana zur Löwen
Unternehmerin und Content Creatorin

Dr. med. Alicia Baier 
Ärztin in der Gynäkologie und Mitgründerin von Doctors for Choice Germany

Janina Hell und Felicitas Karrer, Gründerinnen von FRAUEN100

Maria Astor,
Content Creatorin

Natalia Wörner
Schauspielerin

Katja Riemann
Schauspielerin und Autorin

Mitzeichnerinnen

  1. Alexandra Zykunov
  2. Anastasia Gubareva
  3. Anna Dushime
  4. Anika Decker-Wilde
  5. Annahita Esmailzadeh
  6. Annette Kroeber-Riel
  7. Antje Schrupp
  8. Asha Hedayati
  9. Aya Jaff
  10. Beate Wedekind
  11. Bettina Kohlrausch
  12. Bianca Praetorius
  13. Caro Cult
  14. Carolin Niemczyk
  15. Caroline Rosales
  16. Christina Clemm
  17. Cloudy Zakrocki
  18. Delara Burkhardt
  19. Emilia Roig
  20. Franziska Schutzbach
  21. Frauke Ludowig
  22. Friedemann Karig
  23. Gilda Sahebi
  24. Gülsah Wilke
  25. Hadnet Tesfai
  26. Heidi Reichinnek
  27. Isabelle von Klot
  28. Jagoda Marinić
  29. Jana Degrott
  30. Janina Kugel
  31. Janna Linke
  32. Jasmin Shakeri
  33. Jasmin Tabatabai
  34. Jeannette Gusko
  35. Jennifer Weist
  36. Johanna Klum
  37. Julia Freitag
  38. Julia Krempin

39. Kati Ernst
40. Katrin Bauerfeind
41. Kerstin Weng
42. Khesrau Behroz
43. Kimberly Marteau Emerson
44. Kristina Hänel
45. Kristina Vogel
46. Laura Dornheim
47. Laura Malina Seiler
48. Leyla Piedayesh
49. Lisa Ortgies
50. Louisa Dellert
51. Louisa Schneider
52. Magdalena Rogl
53. Maja Göpel
54. Mandy Mangler
55. Mareile Höppner
56. Margarethe Honisch
57. Maria Furtwängler
58. Marie-Louise Berg
59. Marie Nasemann
60. Melika Foroutan
61. Mia Florentine Weiss
62. Minh-Khai Phan-Thi
63. Minu Barati
64. Miriam Junge
65. Mona Buckenmaier
66. Nele Würzbach
67. Nicolette Krebitz
68. Nike Emich
69. Nike van Dinther
70. Ninia LaGrande

71. Nina Bernarding
72. Nora Burgard-Arp
73. Phenix
74. Philipp Türmer
75. Ralph Herforth
76. Regina Halmich
77. Ruth Hecker
78. Ruth Moschner
79. Sally Lisa Starken
80. Samira El Ouassil
81. Sandra Hüller
82. Sarah Desai
83. Sarah Lee Heinrich
84. Shari Malzahn-Ape
85. Sibylle Berg
86. Sophia Maier
87. Sophia Hoffmann
88. Sophie Chung
89. Stefanie Giesinger
90. Svenja Appuhn
91. Svenja Liesau
92. Tanja Roos
93. Tanja Ziegler
94. Tara Wittwer
95. Tatjana Kiel
96. Teresa Bücker
97. Tuğba Tekkal
98. Ursula Karven
99. Verena Pausder
100. Vidina Popov
101. Wolke Hegenbarth
102. Yael Adler
103. Yara Hoffmann
104. Yasmine M‘Barek

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